Zwei Beispiele "was nicht funktioniert"

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Fallbeispiel 1: Die fordernde, beschuldigende Frau G.

Frau G. 88 J. sitzt im Rollstuhl, wirkt sehr gepflegt. 

Frau G.: "Gehn's Schwester, ich hab mein Glas vergeßen. Bitte bringens mein Glas, ich trinke nur aus meinem Glas. das haben mir die Kinder extra gebracht. Ich werd nie aus so einem Plastikbecher trinken. Glaubens ich will so werden wie die anderen da. Die sind ja alle schon Plem Plem."
Sie bittet die Schwester ein Glas aus dem Zimmer zu holen. Die Schwester bringt es und stellt es höflich vor sie hin."Bitte sehr Frau G." Danach bittet Fr.G. "
Danke, Schwester, die Suppe ist so heiß" Schwester können sie mir die Backerbsen aus dem Zimmer holen? Ich mag die Nudeln nicht. Die Kinder haben mir die Backerbsen extra gebracht".

Die Schwester bringt auch die Backerbsen und stellt sie zu Frau G. auf den Tisch. "Bitte schön Frau G. hier sind die Backerbsen"

Frau G. reagiert gereizt:"Schwester jetzt ist es zu spät, die Suppe istkalt, da brauch ich die Backerbsen auch nicht mehr" "Jetzt will ich gar nix mehr essen" Schiebt die Schüssel weg.

Kopfschüttelnd geht die Schwester weg, "dauernd diese Extrawürsteln", denkend

Was ist geschehen? Oftmals werden personen wie Frau G. als schwierig erlebt, wir leben in einer Zeit der Hast und Eile. Frau G's wunsch nach dem Glas und den Backerbsen wurden erfüllt. Doch Frau G. konnte spüren das sie als Last erlebt wird, sie wird mit ihrem Bedürfniss in dieser Situation alleine gelassen. Ihre Angst der Abhängigkeit wird verstärkt. Sie wehrt sich, indem sie jetzt die Suppe verweigert. Das ist ihre letzte Autonomie in diesem Moment. Die Schwester hat versucht es richtig zu machen, war höflich. Aber sie hat nicht gespürt was Frau G. bewegt. Sie war leider nicht empathisch.

 Wie würde zum Beispiel eine validationsgeübte emphatische Person, mit Frau M. kommunizieren?  

Frau G.:
"Gehn's Schwester, ich hab mein Glas vergeßen. Bitte bringens mein Glas, ich trinke nur aus meinem Glas. das haben mir die Kinder extra gebracht. Ich werd nie aus so einem Plastikbecher trinken. Glaubens ich will so werden wie die anderen da. Die sind ja alle schon Plem Plem.
VA bringt das Glas und stellt es hin:
"Bitte schön Fr. G., hier ist Ihr Glas, welches ihre Kinder gebracht haben."

Frau G.:
"Danke Schwester, die Suppe ist so heiß" Schwester können sie mir die Backerbsen aus dem Zimmer holen. Ich mag die Nudeln nicht. Die Kinder haben mir die Backerbsen extra gebracht".
VA: 
"Bitte schön Frau G, hier sind ihre Backerbsen, haben sie die immer schon gerne gegessen?" "Darf ich Ihnen gleich einige Backerbsen in die Suppe streuen?"

Frau G.:
"Ja bitte Schwester, ich seh eh so schlecht. Früher habe ich auch gerne Nudelsuppe gegessen, aber jetzt seh ich kaum was, mit den Backerbsen geht es einfach leichter"
VA: 
"Es nicht eine große Umstellung für Sie. Zu sehen ist wichtig."

Frau G.  "Ja sie haben ganz recht, jetzt ist alles anders. Bei uns war immer das Zusammenhalten wichtig, am Anfang war ich ganz alleine mit den Kindern,nach dem Krieg, aber alle sind was geworden, jetzt helfen mir die Kinder wo es geht."
VA:   "Es ist wichtig,  Zusammenzuhalten. Was war am schwierigsten in dieser Zeit?"

Frau G.:
"Am schlimmsten war es genügend Essen für die Kinder zu haben. Was glaubens was ich alles gemacht habe. Das kann man sich gar nicht vorstellen."
VA: 
"Möchten Sie mir nach dem Essen ein wenig über die schweren Zeiten erzählen?

Frau G.:
"Ja das ist besser, sonst wird die Suppe noch kalt. Pause.......Ach das geht ja gar nicht, meine Tochter kommt dann zu Besuch. Aber wir sehen uns ja noch.Danke!"
VA: 
"Dann guten Appetit und schönen Nachmittag wünsche ich Ihnen noch"

Frau G.:
"Danke, dass sie mir immer helfen."
Frau G. beginnt zu essen.
Was ist geschehen?

Wer nicht mit den veschiedenen Phasen der Demenz vertraut ist, würde meinen, Frau G. sei einfach eine etwas unbequeme Person.
Frau G. hat viele Verluste im Leben gehabt, immer viel gearbeitet, hat immer alles geschafft. Jetzt lebt sie im Pflegeheim, ihre Augen werden schlechter, sie fühlt sich in Abhängigkeit, sie ist mangelhaft unglücklich orientiert.  Das macht Angst. Doch es direkt anzusprechen ist möglicherweise noch zu Früh. Frau G. braucht Zeit, um zu spüren das sie auch ihre Gefühle ausdrücken kann, das jemand ihre Gefühle wahrnimmt. Deshalb, übt sie  Kontrolle so aus, indem sie die Schwestern immer wieder bittet etwas zu besorgen oder zu holen. Sie weiß das sie immer schlechter sieht, hat Angst vor der drohenden Erblindung, nimmt die betreuende Person dies nicht wahr so wird Frau G. auch ungehalten ohne dabei jedoch ihre Angst, das Bedürfniss dahinter ausdrücken zu können. Erfährt sie nicht das Wahrnehmen ihrer Bedürfnisse, reagiert sie ablehnend auch wütend und trotzig. Beim zweiten Anlauf war die VA empathisch, sie konnte Frau G. ein Stück begleiten. Extra Zeitaufwand: Weniger als eine Minute.


Fallbeispiel 2:  Die nickende Frau M.

Frau M.84 Jahre alt,  sitzt im Aufenthaltsbereich eines Pflegeinstitutes. Neben ihr sitzen noch andere Personen. In der Ecke läuft ein TV Gerät ohne Ton. Niemand blickt zum Fernseher. Frau M. sitzt leicht nach vorne geneigt. Die Augen hat sie halb geschlossen. Immer wieder nickt sie. Als ob sie mit jemanden, den Anwesende nicht sehen können einen Dialog führt und oftmals bejaht.  Wenn jemand vorbeigeht oder sich Geräusche verändern, scheint es als ob sie dies nicht bemerrkt.

Eine Mitarbeiterin des Pflegeheimes nähert sich und tätschelt Frau M. an der Schulter. "Frau M. ich messe jetzt ihren Zucker" Während des Vorganges spricht sie freundlich Plaudernd auf Frau M. ein. "Schauens doch mal, da draussen scheint die Sonne, das Mittagessen kommt auch gleich. Jetzt wird es  Zeit wach zu werden." Die Mitarbeiterin tätschelt nochmals freundlich die scheinbar müde alte Dame. Wieder keine Reaktion. Schließlich geht die Schwester mit einem leicht bedauernden Blick weiter.

Frau M. nickt weiter vor sich hin und scheint die freundliche Schwester nicht zu bemerkt zu haben.

Diese und ähnliche Begegnungen geschehen laufend, selbst nahe Angehörige sagen oftmals: "Ja sie spricht nicht mehr: Manchmal sagt sie Danke, Du bist so lieb. Nur wenn ich was süßes bringe, dann merke ich das es ihr schmeckt."  

Es scheint als ob sich der alte Mensch gar nicht mehr für die Umwelt interessiert. Manchmal werden die eigenen Kinder gar nicht erkannt, dann wieder verwechseln sie die Tochter mit dem Enkelkind, oder sprechen ihre eigene Tochter mit Mutter an. " Dann ist manchmal zu hören: Schau Mutti wer dich heute Besucht. Der Peter ist auch da." oft leuchten dann die Augen der alten Menschen kurz auf um bald darauf wieder ihren Blick woanders hin zu richten. Manchmal ist der Blick suchend, manchmal aber schließen sie einfach nur die Augen.

Dann heißt es. "ja die Mutti ist immer müde, eigentlich sind die Besuche schon sehr anstrengend für sie. Bald danach gehen die Besucher.

Was ist geschehen? Es hat keine Kommunikation statt gefunden. Es kommt vor, das Besucher resigniert den Raum und rascher als beabsichtigt das Haus verlassen.

Wir würden gerne dem alten Menschen, der Mutter näher kommen. Doch wenn sie überhaupt spricht so verstehen wir sie kaum. es scheint als ob der sehr alte Mensch in einer anderen Zeit/ Welt lebt, dies ist auch oft zutreffend.

Hier kann Validation helfen. Die Anwendung von Validation kann die Kommunikation ermöglichen, der alte Mensch wird behutsam unterstützt sich auszudrücken. Die Menschen fühlen sich wahrgenommen, sie haben das Bedürfnis sich auszudrücken, gehört und angenommen zu werden so wie sie sind.


Wie würde zum Beispiel eine validationsgeübte emphatische Person, mit Frau M. kommunizieren?

VA kommt von vorne auf Frau M. zu. Setzt sich seitlich, frontal zu Frau M. Sie befindet sich jetzt auf gleicher Augenhöhe mit Frau M. Spricht sie an und sagt:
"Frau M. ich setze mich ein wenig zu Ihnen".
(Währenddessen leitet sie eine Berührung an der Schulter von Fr. M. ein. Sie lässt ihre Hand ruhig an der Schulter von Frau M. liegen) Die validationsgeübte Person, nimmt Frau M. wahr,                   beobachtet und beginnt auch zu nicken. Nach einer kleinen Weile sagt sie:
"immer wieder"

Frau G.:
öffnet die Augen, schließt sie wieder.

VA: 
beginnt ein Validationslied zu summen. Legt ihre zweite Hand auf die Schulter von Frau M.
Frau G.:
beginnt leise die Worte des Textes mit zu singen. Öffnet die Augen.

VA: 
"es ist so viel"
Frau G.  "Die Mammi wartet"
VA:   "So lieb" (wendet Mama-Berührung an)
Frau G.:
" Liebe Mammi"
ihre Augen sind weit offen, ein kleines Lächeln ist sichtbar

VA: 
"Sie fehlt ihnen"
Frau G.:
"Beste Mammi, liebe Mammi"
VA: 
"Ist so wichtig die Mammi!"
(kleine Pause)


Frau G.:
"Mammi"
VA:
"Frau M. ich messe jetzt ihren Zucker." Nimmt dabei nach einem abschließenden Druck auf die Schultern von Fr.M. die Hände zurück. Wartet einige Sekunden; und nimmt die Hand von Frau M. die ihr entgegenkommt, misst den Blutzucker.
Zufrieden geht die Pflegeperson weiter, Frau M. schaut ihr nach

Was ist anders?

Die Pflegeperson hat Frau M. wahrgenommen, ist in ihre Welt gegangen, hat Frau M. erreicht. Sie haben kommuniziert. Dies hat knapp 3 Minuten in Anspruch genommen. Würde Frau M. öfter validiert werden, könnte es sein das sie wieder mehr Anteil am hier und jetzt nehmen möchte. Auf jeden Fall  sagen Personen die in validierender Weise, dem sehr alten Menschen mit Demenz begegnen, das sie immer wieder spüren wie bereichernd diese Begegnungen nun geworden sind.

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